Weiberfastnacht paradox

Im Uslarer Rathaus musste gestern kein Mann Angst um seine Krawatte haben, die Frau, die nominell die Fäden in den Händen hielt, hatte sich die Freiheit genommen, die zunehmend schwerer gewordene Last ihrer Amtskette abzuwerfen, zurück zu treten und einen festen Ruhestand einzunehmen.
Der Rat leistete die nötige Hilfestellung mit der deutlichen Mehrheit von 26 Stimmen für und 2 gegen den Antrag, und da steht Bürgermeisterin Martina Daske nun bequem aber vielen Herren immer noch auf dem Schlips und wartet auf den goldenen Handschlag von Landrat Michael Wickmann bis der letzte Vorhang im finalen Akt in diesem Kommunaldrama gefallen sein wird.

Frau Daske, deren offizielle Auftritte nach Bekanntgabe ihres Rückzuges durch die betonte Zurschaustellung von Normalität einen immer surrealeren Charakter angenommen hatten, gab weiter tapfer lächelnd die vom wütenden Geschick arglos Verfolgte, die von grauen Herren in abgedunkelten Hinterzimmern daran gehindert wurde, “kompetent,  engagiert und unabhängig für Uslar” Zukunft zu gestalten.

Waschküchenpsychologie

Der Vorwurf, man überziehe sie weiterhin mit einer rücksichtslosen Kampagne, konnte nur bedeuten, dass große Teile des Uslarer Rates ihre Meinung, dass sie mit ihrem Amt heillos überfordert war, beibehalten hatten.
Inwieweit sie selbst zu einer Einschätzung über die Fortführbarkeit ihrer Amtszeit gekommen war, kann nur spekuliert werden. Das Maß an Zerrüttungen und Verletzungen legt in der rückwärtigen Betrachtung nahe, dass sie schon in der langen Phase der Rekonvaleszenz, den festen Entschluss gefasst haben musste, 2010 das Weihnachtsgeschenk § 84 NkomVG anzunehmen und mit festem Tunnelblick das Datum der Pensionsberechtigung ins Auge zu fassen.
Die Abkürzung des Abwahlverfahrens führte nicht ganz zum Ziel, brachte aber ein wenig neuen Schwung in die Dramaturgie und ein paar frische Statisten auf die Bühne des Stadttheaters.

Kaffeesatzlesungen

Frau Daske hatte mit der gescheitertten Abwahl, die Initiative zurückgewonnen, wollte sie aber nicht wirklich ergreifen, sondern wahrscheinlich weiter auf Zeit spielen und die, die ihre Abwahl betrieben hatten, an der Nase rumführen. Dass dabei ein paar Frischlinge in die Irre geleitet wurden, inwieweit das Wählervotum umgesetzt werden konnte, und wie ernst ihre Forderungen an den neu gewählten Rat, sich gleich wieder aufzulösen, gemeint war, muss als geringfügige Kollateralbeschädigung bewertet werden.
Der Zukunftsvertrag als Arbeitsnachweis für die Berechtigung von Ruhestandsbezügen hat den finanziellen Spielraum der Politik in Uslar auf Laufstallgröße zusammen schrumpfen lassen. Das könnte durchaus eine Retourkutsche für die Kürzung der freien Verfügungsmittel der Bürgermeisterin gewesen sein, ist aber wahrscheinlich dann doch ein bisschen sehr weit hergeholt.

Realitätsorientierungstraining

Auf die Bitte einiger Wählerinnen, mich bei der Abwicklung der Uslarer Beteiligung an der Sozialstation Uslar/Bodenfelde um deren Belange zu kümmern, hatte ich versichert, mein Bestes tun zu wollen. Das hatte ich versucht, die Wirklichkeit hat mich allerdings einfach überrollt, meine Rolle als Gesellschafter changierte irgendwo zwischen Zuschauer und Statist. Die Entscheidungen waren alle im letzten Sommer getroffen worden, Protokolle davon nur für Beteiligte verfügbar und die Veräußerung der Uslarer Anteile wurde ganz unprätentiös vollstreckt.
Beim Albert-Schweitzer-Familienwerk suchen sie zurzeit einen Technischen Leiter, wenn die Sozialstation in nächster Zeit umzieht, wird man sich nicht wundern dürfen, wenn die Belegschaft mit GPS-Geräten bestückt wird auch nicht.
Gut, dass man sonst nichts zu tun hatte.

Karnevalsschachzüge

Die CDU wähnte Frau Daske am Zug, wollte sie aber selbst nicht abholen, die SPD schrieb ihr einen offenen Brief, sie solle sich der Straße annehmen, UWG und BRU standen an Bahnsteig und Straßenrand und versuchten, die olle Kamellen vergessen zu machen und gemeinsam in eine bessere Zukunft aufzubrechen, als der Weg abrupt zu Ende war.
Ein echter Neuanfang scheint möglich zu sein, es zeichnet sich jedoch ab, dass die alten Rivalitäten der großen Parteien erneut die Oberhand gewinnen könnten.
Sofortige Bürgermeisterneuwahlen oder Aufnahme von Fusionsgesprächen? Erst  Wahlen dann Gespräche? Ein erstes informelles Treffen mit den Spitzen aus Rat und Verwaltung ist terminiert, die Chance, dass es zu einer einvernehmlichen Vereinbarung kommt, ist nicht überwältigend. Die Gefahr, dass zügig in den Wahlkampfmodus übergegangen wird, scheint nicht unbeträchtlich.

Werteverfallsdatum

Der Bundespräsident aus Niedersachsen hat heute seine Mindesthaltbarkeit überschritten, die Staatsanwaltschaft in Hannover überprüft akribisch die weitere Verwendungsfähigkeit und ob die Ausstellung eines Strafbefehls die Zahlung des Ehrensolds verhindern kann.
Die Aufgaben, deren unverzügliche Lösung der Uslarer Kommunalpolitik aufgegeben ist, sollten nicht auf die lange Bank geschoben werden, ob dazu dringend eine neue Bürgermeisterin oder ein Bürgermeister gewählt werden muss, weiß ich nicht.
Die Immobilienpreise in unserer Region geraten zunehmend unter Druck, der Kampf um die Erhaltung der erforderlichen Infrastruktur duldet eigentlich keinen Aufschub. Es könnte passieren, dass bei der nächsten kleineren konjunkturellen Delle im ländlichen Gebiet größere Umstrukturierungen nicht zu vermeiden sein werden.
Wir sollten das Beste hoffen, aber mit dem Schlimmsten rechnen und vorallem nicht unnötig Streit anfangen.

Fusionsverhandlungsmarathon

Weitere Fusionen werden in naher Zukunft unumgänglich sein, das wird nicht nur auf kommunaler und Kreisebene forciert werden müssen, die Bundesländer in Norddeutschland sollten in der jetzigen Form einen Zusammenschluss nicht mehr allzulange hinauszögern können, sollte sich die Märkte eine tiefgehendere Schwächephase erlauben.
In Uslar dürfen wir es uns eigentlich nicht gestatten abzuwarten, bis Gemeinden die Zuschlagsreife der Kommunalaufsicht überschritten haben, sondern sollten aktiv und im Einvernehmen die gemeinsamen Vorteile erarbeiten.
Das Badeland hat eigentlich nur in einem größeren Verbund die Möglichkeit betrieben zu werden, und das auch nur wenn die nötigen Investitionen bereitgestellt werden.
Die Gefahr, dass Uslar sich allein dabei übernimmt, ist zu groß.

 

2 Gedanken zu “Weiberfastnacht paradox

  1. Hallo,
    ich bin eigentlich eher durch Zufall auf Ihre Seite gekommen. Nachdem ich mich ein wenig durchgelesen habe, muss ich sagen Ihre Seite gefällt mir sehr. Ich werde in Zukunft öfters mal vorbei schauen!

    Viele Grüße aus Sinsheim

  2. Da geht einer auf die Probleme zu und denkt für Uslar.
    Da muss die Politik aufpassen, dass so einer mit der neuen Bundesstrasse nicht am Strassenrand aufgelesen, mitgenommen und in eine andere Region verschleppt wird um dann später als Fusionist wiederzukehren, und dann wahrscheinlich als Genossenschaftler im Badeland plantscht und zukunftsweisend das “Seniorenschwimmen” im Albert Schweitzer Familienwerk installiert, In den Grundschulen gibt es keine Kinder mehr und darum werden sie zu Treffpunkten für Rückkehrer eingerichtet und erhalten. Eine andere Möglichkeit wäre sie zu Lagern aufzubereitender Antiquitäten umzufunktionieren. Das knüpft an Traditionen der Stadt an und lockt vielleicht als Ausflugsort der auch Sonntags seine Geschäfte öffnen darf. Wenn es irgendwo zu Ende geht fängt es woanders wieder an. Warum eigentlich nicht in Uslar. Es wird Zeit dass die Phantasie dem Streit weicht,

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